In Teil 2 des Interviews geht es, wie schon angekündigt, um Verletzungen, dramatische Momente, den Umgang mit Druck und noch vieles mehr. Viel Spaß beim Lesen:
Stell dir folgende Situation vor: Erster Spielzug, du kassierst gleich einen heftigen Sack und spürst, dass es dabei in diesem Spiel nicht bleiben wird. Wie gehst du damit um? Entwickelst du eine Trotzreaktion nach dem Motto „Jetzt erst Recht“ oder verlierst du innerlich die Lust am Spiel?
In der Regel gehe ich in solchen Momenten zuerst auf meine O-Line zu und frage, woran es lag. Es kommt vor, dass einfach jemand den Snap verpennt hat, aber auch, dass offen kommuniziert wird, dass man mit der Gegenspielerin nicht klar kommt, weil diese überlegen ist. Bei Ersterem weißt du, die Spielerin ist jetzt wach. Bei Letzterem ist es wichtig, dass diese Informationen zu den Coaches gelangen. Man probiert dann die Gegenspielerin in Doppeldeckung zu nehmen oder an anderen Stellschrauben zu drehen. Sollte es doch mal vorkommen, dass ich ständig unter Druck gerate, was aber nebenbei gesagt noch nicht oft vorkam, dann werde auch ich mal fahrig. Bis zu einem gewissen Grad kann ich damit leben, aber wenn es überhandnimmt oder ich brutal gesackt werde, dann bin ich auch froh, wenn die Defense aufs Feld kommt oder Halbzeitpause ist, sodass ich mal durchatmen und mich neu sammeln kann. Es ist also durchaus beides möglich. Ich bin auch kein Patrick Mahomes, der unter Druck im Backfield scrambelt und noch ein paar Haken schlägt. Ich bin kein mobiler Quarterback, sondern eher ein Pocket Passer. Ich bleibe so lange es geht in der Pocket und probiere, den Pass anzubringen, komme, was wolle. Nur wenn es gar nicht anders geht, laufe ich los. Mittlerweile habe ich meist die Ruhe, nicht panisch zu werden, wenn die Gegnerinnen auf mich zustürmen. Ich werfe den Ball nicht blind irgendwo hin. Aber es gibt auch die Momente, in denen man keine Trotzigkeit an den Tag legen kann, weil man einfach weiß, dass der Gegner gut ist und dir wahrscheinlich bald wieder am Rockzipfel hängt.
Was war für dich der dramatischste Moment in deiner langen Karriere?
Kann ich auch zwei nennen?
Na klar!
Es war in meiner Hamburger Zeit. Ein Spielzug, den wir mehrmals spielten, ein Counterplay, bei dem Fullback und Halfback einen Lauf in eine Richtung antäuschen, der Halfback dann aber nach 1, 2 Schritten in die andere Richtung ausbricht. Der Gegner hatte sich im Laufe des Spiels bereits gut darauf eingestellt. Ich bin nicht als gute Läuferin bekannt, aber hatte einen Plan. Im Huddle meinte ich „Mädels, ich mache jetzt mal etwas Verrücktes“. Wir wollten die Ballübergabe sowohl auf den Fullback als auch auf den Halfback antäuschen. Das haben wir dann auch gemacht. Nach 2 angetäuschten Ballübergaben behielt ich den Ball und lief meinem Fullback hinterher. Das war eine Spielerin, die mit mir aus Kiel nach Hamburg ging. Sie drehte sich zu mir um, musste ihr Tempo anpassen und schauen, in welche Richtung sie mir den Weg freiblocken muss, damit ich weiterkomme. Am Ende erlief ich ein neues First Down und als ich den Ball bekam, lief alles wie in Zeitlupe ab. Das ist so ein Moment, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde! Der Trainer an der Seite hat in dem Moment wahrscheinlich alles an Emotionen durchgelebt. Ich änderte den Spielzug ja eigenmächtig. Er dachte im ersten Moment, es wäre alles schrecklich falsch gelaufen und konnte es kaum glauben, dass das so geplant war.
Den zweiten unvergesslichen Moment hatte ich 2019 mit Kiel. Wir spielten gegen meine alte Mannschaft, die Hamburg Amazons. Sie lagen mit 2 Punkten vorne. Wir hatten zu dem Zeitpunkt eine ziemlich gute Kickerin im Team, die parallel auch Fußballerin ist. 5 Sekunden vor Ende der Partie nahmen wir ein Time Out. Wir waren in Field Goal-Range. Ich fungiere bei Field Goals auch als Holderin, bekam also den Snap und die Kickerin drosch das Ei mit auslaufender Uhr aus knapp 40 Yards Entfernung durch die Goal Posts. Es brach grenzenloser Jubel aus und wir gewannen mit einem Punkt Vorsprung.
Kommen wir nun zu einem sehr ernsten Thema: American Football ist ein harter Sport. Es gibt viele Kollisionen und dadurch ist leider auch CTE (Chronisch traumatische Enzephalopathie) bei Ex-Spielern recht verbreitet. Hast du persönlich auch Angst vor Folgeschäden?
Toi, toi, toi, ich hatte bisher keine größeren Verletzungen. Mal ein Kapselriss im Finger, aber das ist ja eher „Berufsrisiko“ im Football oder Handball. Klar, auch mal Muskelfaserrisse. Das schlimmste, was ich hatte, war ein gebrochenes Handgelenk. Das hat mich 4 Wochen außer Gefecht gesetzt. Mehr hatte ich aber nicht. Man erlebt aber auf dem Feld natürlich ganz andere Verletzungen, die sich die Leute zuziehen. Nichtsdestotrotz merke ich, dass Football einen unheimlichen Verschleiß mit sich bringt. Ich weiß nicht, ob gewisse Dinge vielleicht auch ohne Football eingetreten wären, aber ich denke schon, dass die vielen Hits und eventuell schlecht auskurierte Verletzungen sich irgendwann rächen. Ich hatte ja, wie bereits erwähnt, relatives Glück, was Verletzungen angeht und spiele auf einer Position, wo es nicht ganz so körperbetont zur Sache geht. Aber man kriegt das bei Mitspielerinnen gerade auf den physisch anspruchsvollen Positionen natürlich schon mit. Auf Auswärtsfahrten kam es dann schon vor, dass wir vor dem Krankenhaus warten mussten und nicht wussten, ob unsere Spielerin mit Gehirnerschütterung über Nacht vor Ort bleiben muss oder ob wir sie mitnehmen können. Auf den Rückfahrten merkt man einigen Spielerinnen auch an, wie erschöpft sie sind. Da frage ich mich schon, wie es den Leuten später geht. Allerdings spielen und trainieren wir und auch die Männer im unterklassigen Football nicht mit dieser Intensität, wie es in der NFL oder beim College Football der Fall ist. Da ist CTE noch mal ein anderes Thema, dem auch mehr Bedeutung beigemessen werden muss. Im unterklassigen Football sollte man hingegen mehr auf besseres Coaching achten. Sauberes Tackling oder den Spielern beibringen, wie man sich besser schützt, kann durchaus helfen, Verletzungen zu vermeiden.
Viele sagen, Football sei brutal. Mein Mann hat lange Zeit hochklassig Handball gespielt. Leute, habt ihr euch bei denen mal ein Spiel angeguckt? Da geht es auch gut zur Sache und da knallen die Spieler auf den harten Hallenboden. Wir landen halbwegs weich auf dem Rasen, haben Protektoren, Pads und den Helm. Die Verletzungsbilder sind häufig sehr ähnlich. Kreuzbandrisse, Bänderdehnungen, Schulterverletzungen und auch mal eine Gehirnerschütterung. Manchmal denke ich mir, man sollte auch Handball nicht unterschätzen.
Nach diesem schwierigen Thema nun zu etwas leichtem. Wer waren deine sportlichen Vorbilder in der Kindheit und Jugend?
Auf jeden Fall keine Profisportler, das hatte ich nie. Als ich Teenagerin war, fand ich meine Aerobictrainerin sehr tough. Sie war sehr durchtrainiert und mein Ziel war es, irgendwann mal an ihr Level zu kommen. Es gab auch Spielerinnen auf meiner Position, die den Ball gut werfen konnten oder sehr ruhig blieben, aber ich habe nie jemandem nachgeeifert oder als Vorbild angesehen, auch in der NFL nicht.
Aber du hast bestimmt ein Lieblingsteam.
Jein. Für mich ist das Spiel an sich interessant und mir ist dann auch egal, für wen ich mitfiebere. Aber wenn man mich zu einer Antwort drängen würde, dann würde ich die New Orleans Saints nehmen. Für die hege ich die meisten Sympathien.
Und welchem der jungen Quarterbacks, die in den letzten Jahren in die NFL kamen, traust du zu, der nächste Superstar zu werden? Vielleicht mal abgesehen von Patrick Mahomes, denn der ist ja bereits ein Superstar.
Die Frage musst du zurücknehmen. (lacht)
Ich liebe den Sport und betreibe ihn mit Herzblut, aber ich verfolge keine einzelnen Spieler und bin kein klassischer NFL-Fan.
Wenn dich deine Mannschaftskameradinnen mit 3 Worten beschreiben müssten, welche wären das wohl?
Das ist wirklich fies! (lacht)
Ich glaube mit „laut“. Zumindest meinte eine Trainerin neulich zu mir „Auch wenn ich dich nicht sehen würde, wüsste ich trotzdem, dass du beim Training bist“. Ich ärgere mich sehr gerne und sehr leidenschaftlich laut über mich selber. Ich hoffe aber auch mit „witzig“. Zumindest bin ich nicht bierernst und flachse auch mal rum, um zum Beispiel bestimmte Situationen zu entschärfen. Und eine dritte Eigenschaft… (überlegt lange)
„Verlässlich“. Ich hoffe und denke, dass man sich auf mich verlassen kann.
Und nun erwartet auch dich unsere Abschlussfrage. Wenn du einen Wunsch frei hättest für die Menschheit oder den gesamten Planeten: Welcher wäre das und warum?
(überlegt länger und fängt dann an zu lachen)
Es tut mir leid. Ich muss an den Film „Ms. Undercover“ mit Sandra Bullock denken. Sie ist als FBI-Agentin Gracie Hart undercover bei einem Schönheitswettbewerb und soll dort einen terroristischen Anschlag verhindern. Anfangs lästert sie über die anderen Teilnehmerinnen, die sie für oberflächlich hält und die sich anscheinend immer den „Weltfrieden“ wünschen. Am Ende wird Gracie zur „Miss Congeniality“ gewählt, steht auf der Bühne und wünscht sich ebenfalls den „Weltfrieden“. Das wäre aber wohl etwas abgedroschen. Was ich mir wünsche, ist, dass man aus der Vergangenheit lernt und keine Fehler der Geschichte wiederholt. Das schaffen wir manchmal leider nicht.
Acki. Nach diesem Interview steht für mich fest, dass diese Buchstaben für folgendes stehen: Authentisch, Cool, Kommunikativ, Intelligent.
Wir bedanken uns für die Zeit und diese tollen Einblicke und wünschen dir alles Gute für die Zukunft.
Fotos: Christian Fenneberg; Manningeaux
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